von Annegret Widmer
Veröffentlicht am 20.10.2017Aktualisiert am 24.10.2023
Die Hoffnung im Konzern war groß: Das Unternehmen machte sich 2015 an die Modernisierung seiner IT-Systeme. Herz der Initiative war ein neues, zentrales Tool für das Projektportfoliomanagement, das Projektmanagement, die Verwaltung von Mitarbeiterdaten und Adressen und vieles mehr. Anderthalb Jahre später sind erste Komponenten der neuen Lösung zwar in Betrieb, liefern aber nicht die gewünschten Ergebnisse. Schlimmer noch: Planung und Realität der Projekte klaffen meilenweit auseinander, weil es keine einheitliche Datengrundlage gibt und niemand einen Überblick hat. Das Projektportfoliomanagement ist im Chaos versunken. Und die Mängelliste für das System ist deutlich länger als die Liste der damit verwalteten Projekte.
So sieht häufig die Realität aus. Unternehmen bezahlen Millionen für Systeme, die niemand nutzt. Wer 100 % Funktionalität und 100 % zentrale Daten und 100 % Planungssicherheit fordert, wird zu 100 % scheitern. Traditionelles Projektportfoliomanagement, das alle Funktionen in einem aufwändigen PPM-Prozess voll ausschöpft, ist ein teurer Rohrkrepierer. Die eierlegende Wollmilchsau unter den Tools generieren oft mehr Schwierigkeiten, als dass sie Probleme lösen.
Aber warum so kompliziert, wenn doch (die richtigen) 20 % von Prozess und Tool bereits für 80 % des Erfolges ausreichen? Das besagt zumindest das Pareto-Prinzip.
Aufgestellt hat das Pareto-Prinzip der italienische Wirtschaftswissenschaftler Vilfredo Pareto (1848–1923). Er bemerkte, dass in Italien etwa 80 Prozent des Vermögens im Besitz von nur rund 20 Prozent der Familien sind. Daraus folgerte Pareto, dass die Banken sich doch lieber um diese 20 Prozent der Wohlhabenden kümmern sollten, um effizienter Profit zu machen. Dafür hagelte es harsche Kritik, aber Paretos Ansatz ist durchaus richtig – denn er entdeckte die gleichen Größenverhältnisse auch bei vielen anderen Phänomenen.
Seine Beobachtung ist sowohl im positiven als auch im negativen Sinne anzuwenden. Bei der Qualitätssicherung bedeutet das Pareto-Prinzip beispielsweise, dass 80 % aller Qualitätsmängel durch 20 % der möglichen Fehler verursacht werden. Bei der Aufwandsschätzung im Projektmanagement bedeutet dies, dass mit 20 % des Aufwandes bereits 80 % des Ergebnisses erreicht werden können. Die fehlenden 20 Prozent verlangen dafür ungleich mehr Anstrengung und lohnen sich oft gar nicht.
80/20 – das ist natürlich nur ein grober Richtwert. Aber getreu dem Grundsatz „Besser grob richtig als exakt falsch“ hilft das Prinzip, Richtiges und Wichtiges zu priorisieren, auf vieles zu verzichten und dennoch 80 % des Erfolges einzufahren.
Das gilt auch für Projektportfoliomanagement und Projektportfoliomanagement-Software.
Keep it simple! Das ist nicht nur ein Erfolgsgarant für Popsongs, sondern auch für den Projektportfoliomanagement-Prozess. Je komplizierter, aufwändiger und akademischer der Projektportfoliomanagement-Prozess ist, desto eher ist er zum Scheitern verurteilt. Weniger Bürokratie und Aufwand hingegen beschleunigen den Prozess und erhöhen seine Akzeptanz.
Es gibt nur einen kleinen Kern an Tätigkeiten, die im PPM gemacht werden müssen.Sie werden es erraten – etwa 20 % der Tätigkeiten, die Ihnen insgesamt einfallen würden. Sie brauchen eine Strategie für die Bewertung und Priorisierung Ihrer Projekte (Strategize). Sie müssen Projektvorschläge strukturiert sammeln (Collect). Dann können Sie entscheiden, welche Projekte wann gemacht werden (Decide). Die Ergebnisse werden kommuniziert und beschlossene Projekte gesteuert (Execute). In jedem Schritt sind unterschiedliche Personen beteiligt – auf Rollen heruntergebrochen allerdings nur eine gute Handvoll.
Die Reduzierung des PPM-Prozesses auf die absolut notwendigen Schritte gehorcht ganz dem Grundprinzip der Lean Production: Mehr Werte (Value) schaffen mit weniger Verschwendung (Waste). Deshalb heißt dieser Ansatz auch „Lean PPM“.
Erliegen Sie nicht dem Trugschluss, dass Projektmanagement und Projektportfoliomanagement zusammen passieren müssen. Stellen Sie sich Lean PPM viel mehr als eine Ebene über dem Projektmanagement vor. Zwischen den beiden Ebenen wird so wenig Zeit wie möglich verschwendet – das bedeutet, dass auch nur die notwendigen Informationen ausgetauscht werden. Ihrem Projektportfolio ist es herzlich egal, ob Aufgabe X heute oder morgen erledigt wird. Nur Informationen wie Projektbeginn und -abschluss, Meilensteine und Abhängigkeiten sowie beteiligte Mitarbeiter oder Ressourcenbedarfe sind relevant. Beschränken Sie sich bei der Planung auf wenige Meilensteine. Und planen Sie umso ungenauer, je länger der Zeitraum ist. Bei einer Projektdauer von zwei Jahren genügt am Anfang eine Genauigkeit von Monaten. Im Verlauf des Projektes können Sie dann präziser für den anstehenden Zeitraum planen.
Merken Sie sich einfach: Mit 20 % können Sie schon 80 % erreichen. Das gilt ebenfalls für Projektportfoliomanagement-Software. Ein PPM-Tool, das nur 20 % kann? Gegenfrage: Wie viele Funktionen von Excel benutzen Sie denn tatsächlich? 20 % aller möglichen Funktionen heißt nicht, dass wichtige Funktionen fehlen. Es heißt einfach nur, dass Sie keinen unnötigen Ballast in Ihrem Projektportfoliomanagement-Tool haben. Für einen schlanken Prozess reicht eben auch ein schlankes Tool aus.
Annegret Widmer hilft Unternehmen und Organisationen dabei, Meisterplan und Best Practices für Ressourcenplanung und Projektportfoliomanagement zu entdecken. Ihre langjährige Hass-Liebe-Beziehung zu Excel als PPM- ...
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