von Thomas Quandt
Veröffentlicht am 20.04.2020Aktualisiert am 09.10.2023
Sie haben in den letzten Tagen viel erreicht.
Sie haben Gespräche geführt, Kollegen überzeugt, Daten gesammelt, Prozesse designt und die Software konfiguriert und beladen. Alles ist angerichtet für den ersten produktiven Durchlauf. Und dieser erste Durchlauf soll zeigen, dass das Rezept etwas taugt. Es muss nicht alles hundertprozentig perfekt sein – ein bisschen Luft nach oben ist ja immer – aber ein Totalausfall wäre mindestens blamabel, wenn nicht bereits das Ende für das ganze Vorhaben.
In den letzten Jahren habe ich über einhundert Unternehmen dabei unterstützt, Projektportfoliomanagement zu etablieren. Nicht bei allen hat es nachhaltig funktioniert – und das hat Gründe. Die wichtigsten Gründe, woran die Einführung von Portfoliomanagement scheitern kann, möchte ich im Folgenden gern mit Ihnen teilen.
Sie alleine sammeln Projektanträge und Statusberichte ein und optimieren in Ihrem Büro das Portfolio – aus Angst, dass die anderen Ihre mühsam gesammelten und optimierten Daten zerstören könnten.
Mein Tipp: Dezentralisieren Sie den gesamten Portfolio-Management-Prozess. Lassen Sie Ihre Projektleiter die Projekte direkt in der Software aktualisieren und setzen Sie Teilportfoliokoordinatoren ein, die auf Abteilungsebene neue Themen pflegen und die bestehende Planung optimieren. Sie selbst kümmern sich vor allem um die übergreifenden Konflikte. Das spart Ihnen nicht nur Zeit und Nerven, sondern schafft nebenbei unternehmensweite Akzeptanz für das Thema Portfoliomanagement. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Sie Ihre Kollegen von Beginn an am Thema beteiligen – siehe nächster Fehler.
Prozessdefinition und Software-Evaluation finden hinter verschlossenen Türen statt – aus Angst, dass zu viele Köche den Brei verderben. Auch die ersten Meetings werden nur kurz vorher angekündigt und deren Einbettung in den Gesamtprozess wird nicht transparent erläutert.
Mein Tipp: Nehmen Sie das Thema Change-Management besonders ernst. Führen Sie vorab eine gewissenhafte Analyse zu allen Betroffenen und Beteiligten durch und legen Sie sich einen Kommunikationsplan für jede Zielgruppe zurecht. Binden Sie dann zumindest einzelne Kollegen aus jeder Anspruchsgruppe – sogenannte „Leuchttürme” mit hoher sozialer und fachlicher Kompetenz – von Anfang an in die Ausgestaltung des Themas Portfoliomanagement ein.
In den meisten Unternehmen heißt das: Warten auf Sankt Nimmerlein. Das Problem ist, dass jede Woche Zeitverlust auch einen Verlust an Glaubwürdigkeit für Ihr Projekt bedeutet. Und irgendwann heißt es dann: „Ja, da wurde mal was gestartet, hab dann aber nie wieder etwas davon gehört.”
Mein Tipp: Kick-Offs sind unerlässlich, führen Sie diese aber in Kleingruppen durch. So können Sie sich besser auf die Ansprüche jeder einzelnen Zielgruppe fokussieren. Setzen Sie weiterhin zum geplanten Zeitpunkt die nötigen PPM-Meetings auf. Wer nicht beim ersten Mal dabei sein kann, ist halt beim nächsten Mal dabei.
Damit werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Verarbeitungsfähigkeit Ihres Unternehmens für neue Themen übersteigen – und vor allem Frust bei den Kollegen produzieren.
Mein Tipp: Tatsächlich hatten viele Unternehmen, die ich kennengelernt habe, weder ein methodisches Projektmanagement noch ein Portfoliomanagement. Die gute Nachricht ist, dass Portfoliomanagement nur sehr wenige Informationen aus den laufenden Projekten und neuen Themen benötigt. Portfoliomanagement ist daher ein guter Startpunkt, den Sie nutzen können, um daraus zu einem späteren Zeitpunkt genau die richtigen und wichtigen Projektmanagement-Bausteine abzuleiten, die auch für die Umsetzung der Unternehmensstrategie hilfreich sind. 80 % der Inhalte der gängigen Projektmanagement-Methoden brauchen Sie nämlich für ein funktionierendes Portfoliomanagement gar nicht. Ein Projektantrag und ein monatlicher Statusreport reichen.
Je nachdem, wie groß Ihr Unternehmen ist, macht das auch Sinn. Doch die Komplexität, die in der Einführungsphase aus den unterschiedlichen Anforderungen einzelner Unternehmensbereiche an das Portfoliomanagement resultiert, ist sehr schnell nicht mehr handhabbar. Und dann kümmern Sie sich nur noch um Ausnahmen und Spezialfälle, statt um den eigentlichen Kern des Themas.
Mein Tipp: Rollen Sie Portfoliomanagement zunächst nur in einem Teil Ihrer Organisation aus – am besten eine Abteilung mit stark gekapseltem Aufgabenbereich und wenig Ressourcenabhängigkeiten über die eigene Abteilungsgrenze hinaus. Oft ist die IT-Abteilung ein gutes Beispiel. Führen Sie hier Portfoliomanagement ein und informieren Sie den Rest der Organisation über die Aktivitäten und Fortschritte. Lernen Sie aus Ihren Fehlern und Erfolgen und rollen Sie PPM dann Scheibe für Scheibe weiter aus. Ganz nebenbei hilft Ihnen dieser Ansatz, durch ein einfaches Pilotmodell am Ende auch ein einfaches unternehmensweites Portfoliomanagement implementieren zu können. Denn groß muss ja nicht immer auch komplex sein.
Darum verbringen Sie viele Monate damit, die perfekten Prozesse zu entwerfen und die perfekte Software zu finden. Und wenn Sie damit fertig sind, hat sich entweder die Ausgangssituation verändert und Sie müssen wieder von vorn beginnen – oder es findet sich wie immer irgendein Zauderer, der Ihr Bild von Schönheit und Effizienz nicht teilt.
Mein Tipp: Starten Sie mit einer 80-%-Lösung und lassen Sie von Beginn an die kontinuierliche Verbesserung Ihrer Prozesse und Software zu. Sehen Sie regelmäßige „Lessons Learned”-Meetings vor und bauen Sie auf das Feedback Ihrer Kollegen – denn für die ist das ganze Thema Portfoliomanagement ja letztlich gedacht. Fassen Sie einen bestimmten Schmerz in Ihrer Organisation ins Auge – bspw. einen bestehenden Ressourcenkonflikt in einem wichtigen Projekt oder das Fehlen einer klaren Kommunikation der Portfolioentscheidungen – und heilen Sie diesen. Kommunizieren Sie Ihren Erfolg und wenden Sie sich dann dem nächsten Problem zu.
Denn das Unternehmensportfolio geht nur das Management etwas an. Außerdem fürchten Sie, dass getroffene Entscheidungen von der Belegschaft hinterfragt, kritisiert oder als wilder Aktionismus wahrgenommen werden könnten.
Mein Tipp: Portfoliomanagement werden Sie ohne die Einbindung aller Stakeholder weder zum Laufen bekommen, noch werden Sie so das mögliche Potential ausschöpfen. Die transparente Kommunikation der Vorgänge und Entscheidungen im Portfolio Board dient den Projektteams als Informationsquelle für die nötigen Anpassungen in der Detailplanung laufender Projekte. Darüber hinaus gibt sie auch einen Anhaltspunkt, an welchen Themen das Unternehmen grundsätzlich arbeitet und warum.
Darum vertrauen Sie guten Gewissens auf die uneingeschränkte Kooperation Ihrer Kollegen und erwarten eine zuverlässige und pünktliche Kommunikation der Projekt- und Kapazitätsdaten. Genau bei diesen Themen stellt sich allerdings auch schnell Misstrauen ein. Werde ich später gegen diese Zahlen gemessen? Wird hier geprüft, wie gut oder schlecht ich meine Arbeit mache? Werden mir ungenutzte Kapazitäten bei nächster Gelegenheit weggenommen? Die Folge dieses Misstrauens ist dann mangelnde Kooperationsbereitschaft – die sich durch das Zurückhalten von Daten, das Versäumen von Fristen oder die offene Intervention gegen das Thema Portfoliomanagement ausdrückt.
Mein Tipp: Die Vorteile, aber auch die Pflichten für die einzelnen Stakeholder sollten Sie so früh und so offen wie möglich kommunizieren. Nur wenn die Vorteile offensichtlich die Nachteile überwiegen, werden Ihre Stakeholder ein eigenes Interesse an Portfoliomanagement entwickeln und Ihr Projekt unterstützen. Machen Sie besonders deutlich, dass es bei Portfoliomanagement nicht um Kontrolle und Überwachung geht, sondern um eine Verbesserung der Planung. Besonders wichtig ist auch die nötige „Rückendeckung” durch das Executive Management. Ein Steuerungsthema wie Portfoliomanagement muss „von oben” getrieben werden, sonst wird es nicht ernst genommen.
Schließlich möchten Sie gegenüber dem Management auskunftsfähig sein. Und eine hohe Planungsgenauigkeit auf Arbeitspaketebene kann ja auch nicht schaden – umso verlässlicher ist dann am Ende auch der Portfoliobeschluss. Leider wird dabei die regelmäßige Datenpflege für Sie und Ihre Kollegen zu einem andauernden Kraftakt. Eine hohe Zahl an nötigen Abstimmungen, große Datenmengen und die vielen erklärbaren und unerklärbaren Fehler und Unterschiede in den Daten verderben dann endgültig den Spaß am strategischen Planen.
Mein Tipp: Schießen Sie nicht mit Kanonen auf Spatzen. Verzichten Sie darauf, minutiös auf der Taskebene zu planen und einzelne Abwesenheitstage der Kollegen zu erfassen. Für die strategische Ausrichtung und die Kapazitätsplanung Ihres Unternehmens sind diese Daten viel zu kurzlebig. Überlassen Sie die Feinplanung und das Controlling der Projekte Ihren Projektleitern und nutzen Sie die gesparte Zeit lieber für die realistische Priorisierung Ihres Portfolios.
Denn Sie möchten Ihre Portfolioentscheidungen auf der Basis relevanter Informationen treffen. Daher bilden Sie alle Felder Ihres Projektstatusberichtes im Portfoliomanagement-Tool gleich noch einmal ab. Das Problem: Sie haben jede Menge Datenpflegeaufwand und immer wieder kommt es zu Abweichungen zwischen den verschiedenen Dokumenten und Datenbanken. Ihre Projektleiter haben auch schon die Lust verloren, ständig dieselben Informationen in mehrere Software-Tools einzupflegen.
Mein Tipp: Bauen Sie Ihr Portfoliomanagement am Anfang bewusst so einfach wie möglich auf. Welche Daten Sie wirklich benötigen, um Projekte zu priorisieren, sollte das Ergebnis eines Lern- und Verbesserungsprozesses sein. Denn jede Information, die Sie im PPM-Prozess verwenden, macht diesen komplexer. Und fehlende Datenfelder sind schnell angelegt, überflüssige Datenfelder aber nicht schnell wieder abgeschafft.
… anstatt sie zu ermöglichen. Denn dank Ihres PPM-Prozesses haben Sie nun einen standardisierten und formalisierten Weg, um Projekte zu priorisieren und Entscheidungen zu treffen, die Bestand haben. Und dieser Weg muss eingehalten werden, sonst war die ganze PPM-Einführung umsonst!
Mein Tipp: Die Stärke eines guten Portfoliomanagements liegt darin, dass Priorisierungen auch kurzfristig geändert werden können – aber eben mit der vollen Transparenz über Abhängigkeiten und sich ergebenden Konsequenzen. Dadurch wird Flexibilität ermöglicht und das Management kann auf neue Anforderungen reagieren. Lassen Sie dies also zu, denn genau dafür ist Portfoliomanagement da! Am besten erreichen Sie diese Flexibilität durch kurze PPM-Zyklen (monatlich statt quartalsweise!), die eine ständige Neubewertung der laufenden und geplanten Projekte erzwingen, sowie eine ausreichende Begründung der Portfolioänderungen gegenüber den Projektteams, um das nötige Verständnis zu schaffen.
… und brechen daher Ihr PPM-Einführungsprojekt nach kurzer Zeit ab. Denn ohne einen verlässlichen „Unterbau“ im Projektmanagement werden Portfolioplanungsentscheidungen auf der Grundlage falscher Annahmen getroffen und führen nur zu Verwirrung. „Shit in – shit out“, wie die eloquenten Leute sagen.
Mein Tipp: Unter dem Schmerz fehlender, unvollständiger oder veralteter Daten leidet fast jedes Unternehmen. Die Einführung von Portfoliomanagement kann der Auslöser sein, um damit aufzuräumen – und dabei mit den wichtigsten Projekten und Daten zu beginnen. Laden Sie Ihre Daten einfach mal in Ihre Portfoliomanagement-Software und bewerten Sie dann die Situation. Durch die Aggregation der Projektdaten im Management werden unrealistische und fehlende Daten viel schneller sichtbar als in den Untiefen der Projektmanagement-Tools. So erkennen Sie recht deutlich, wo Sie bezüglich Datenqualität zuerst nachschärfen müssen.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Übersicht möglicher Fehler helfen wird, die selbigen so gut es geht zu vermeiden. Wenn Sie dabei Unterstützung benötigen oder weitere typische Herausforderungen bei der Einführung von Portfoliomanagement mit uns teilen möchten, melden Sie sich doch bei uns unter cs@meisterplan.com!
Management Summary (TLDR): Fangen Sie an – klein und einfach. Machen Sie sich Sinn und Zweck von Portfoliomanagement bewusst und verwässern Sie es nicht. Geben Sie Raum für Verbesserungen und binden Sie alle Betroffenen von Beginn an ein. Und fragen Sie uns doch einfach, wie es andere machen!
Herzliche Grüße und viel Erfolg Ihr Thomas Quandt
Thomas Quandt ist als Customer Success Manager für die Beratung der Meisterplan Kunden rund um Lean PPM verantwortlich. Schon lwährend seiner Zeit als Student ...
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