Klassisches Projektportfoliomanagement
Klassisches Projektportfoliomanagement

Projekt­portfolio­management – was ist das?

4 min Lesedauer

Budget-basiertes Projekt­portfolio­management: “Hat bisher immer irgendwie hingehauen”

In einem Gespräch über Projektportfoliomanagement, das ich kürzlich mit einem CIO führte, fragte ich, wie er die Entscheidung für das Portfolio des Folgejahres treffe. Die Antwort: Ausschließlich entlang des Budgets. Auf meine Rückfrage, ob das mit den bekannterweise knappen Ressourcen vereinbart werden kann, erhielt ich die verblüffende Antwort: „Das hat im laufenden Jahr bisher immer irgendwie hingehauen.“ Kann so etwas wirklich hinhauen? Oder ist die jahresorientierte Fiskalsicht auf Projekte heutzutage nicht mehr zutreffend? Meiner Meinung nach ist die deutliche Antwort: Nein. Und zwar ganz einfach, da man es sich heute schlicht und ergreifend nicht mehr leisten kann, Mitarbeiter zu überlasten und sie schließlich zu verlieren. Ebenso wenig kann man es sich leisten, Mitarbeiter auf der Bank sitzen zu lassen und Projekte zu spät zu liefern. Und schließlich ist es notwendig, den Kurs blitzschnell, das heißt innerhalb weniger Wochen, nicht innerhalb eines Jahres, zu ändern.

Dieser Artikel ist der erste von zwei Teilen in einer Reihe, die sich mit den Grundlagen von klassischem Projektportfoliomanagement beschäftigt. Beide Artikel dienen in Zukunft als Nachschlagewerk für weitere Blogposts – sie sind daher entgegen unseren sonstigen Beiträgen etwas textlastig.

Die Mitarbeiter sind der bestimmende Faktor

Was bestimmt nun das Portfolio? Geld oder Menschen? Raten Sie mal! Es kommt natürlich darauf an:

  1. Für Unternehmen, deren Projekte sich durch geringe Unsicherheit auszeichnen und deren Staffing sich durch externe Ressourcen in kurzer Zeit ergänzen lässt, ist das Budget sicher kein falsches Kriterium. Schließlich lässt sich so gewährleisten, dass das knapp verfügbare Geld auch tatsächlich für die wichtigsten Projekte verwendet wird.
  2. Für andere Organisationen ist hingegen nicht das Geld, sondern das Personal der beschränkende Faktor. Das bedeutet nicht, dass diese Geld im Überfluss haben. Tatsächlich bekommen sie aber schon dann Schwierigkeiten, Projekte durchzuführen, wenn noch genügend Geld vorhanden ist. Diese Probleme treten entweder von vorn herein absehbar oder im laufenden Jahr auf: Bekannte Engpassressourcen sind nicht wie geplant verfügbar, bestimmte Personen werden plötzlich zu Engpässen, Mitarbeiter sind in langlaufenden Projekten verhaftet und stehen anderen Projekten noch nicht zur Verfügung und derer Probleme mehr.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass angesichts des allseits steigenden Wettbewerbsdrucks und immer kürzerer Time-to-Market Anforderungen Organisationen eher dem Typ 2 zuzuordnen sind. Hier spielen die Mitarbeiter im Hinblick auf das Budget eine viel größere Rolle, als das bisher wahrgenommen wurde. Warum?

  1. Die Mitarbeiter sind der entscheidende Faktor. Sie bestimmen welcher „Strauß“ an Projekten tatsächlich durchgeführt werden kann und nehmen damit eine mindestens ebenso große Bedeutung ein wie strategische Relevanz und Budgetverfügbarkeit.
  2. Die Auslastung von Mitarbeitern muss wohl durchdacht und vorausgeplant werden. Das einfache „Das schafft ihr doch auch noch“ ist keine Lösung – ausgebrannte Mitarbeiter werden sich von Ihnen abwenden.
Projektportfoliomanagement: Geld oder Menschen?

Klassisches Projektportfolio­management

Im klassischen Aktienportfolio wählt man diejenigen Papiere aus, die zur eigenen Anlagestrategie passen und den größtmöglichen Ertrag erhoffen lassen. Bezogen auf Projektportfolio­management bedeutet das, dass ausschließlich die ertragreichsten Projekte gewählt werden. Ertrag kann je nach Organisation tatsächlicher Umsatz, potentieller zukünftiger Produktumsatz oder der strategische Nutzenbeitrag sein.

Sehen wir uns den klassischen Standardprozess dazu kurz an: Zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen Anfang und Mitte des Geschäftsjahres beginnt der Planungskalender des Folgejahres. Er legt eine Kombination folgender Schritte fest:

  1. Festlegen der Geschäftsstrategie für das kommende Geschäftsjahr
    a) Aufspalten der Strategie in Unterziele
    b) Gewichtung konkurrierender Ziele
    c) Erarbeitung eines gewichteten Bewertungskataloges zur Beurteilung der strategischen Relevanz eines Projektes (In diesen Katalog gehen natürlich auch „Must-Kriterien“ wie gesetzliche Anforderungen etc. ein)
Geschäftsstrategie beim Projektportfoliomanagement
  1. Sammeln aller Projektanträge (Man spricht hier vom „Demand“.)
  2. Durchführen der Bewertung. Die Bewertung wird hierbei entweder vom Antragsteller selbst oder aber in Form eines konzertierten Vorgehens von mehreren involvierten Parteien (z.B. IT und Fachbereich getrennt) durchgeführt. Das Ergebnis ist typischerweise eine Punktzahl oder ein Prozentwert, der angibt, wie gut der Antrag zur Geschäftsstrategie passt.
Klassisches PPM bewertet Initiativen
  1. Zum Ende einer bestimmten Deadline werden alle Anträge nach strategischem Fit sortiert.
  2. Die „Gewinner“ der ersten Runde werden beauftragt, eine Grobplanung und finanzielle Abschätzung durchzuführen.
  3. Im Anschluss findet die Planung für die nächste Fiskalperiode statt. Im einfachsten Fall wird hierzu die Liste nach strategischem Fit sortiert und solange genehmigt, bis kein Geld mehr vorhanden ist. Natürlich ist dabei auch darauf zu achten, dass die benötigten Ressourcen vorhanden sind.
Planung und Umsetzung bei traditionellem PPM
  1. Die gewählten Projekte werden genehmigt. Im laufenden Jahr wird anschließend überwacht, dass die Projekte ihre ursprüngliche Planung einhalten oder sich im Notfall aus einem vorher festgelegten „Change-Request-Budgettopf“ bedienen dürfen.
  2. Kurz nach Freigabe des Portfolios für das Folgejahr beginnt der Planungskalender des Folgejahres.

Dieser Prozess für Projektportfolio­management wirkt an sich nachvollziehbar und stabil. Noch viel besser: Er sieht aus wie eine wunderbare Mechanik, die planbar, stabil und reproduzierbar abläuft. Schließlich gewinnt immer das Projekt mit dem größten Strategiebeitrag den Kampf um die wertvollen Ressourcen.

Leider passt dieser Prozess trotz seiner augenscheinlichen Schönheit nicht recht in die reale Welt. Im zweiten Teil dieser Reihe beschäftigen wir uns daher mit den Problemen eines klassischen PPM-Prozesses.

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