Fear of Better Options im Projektportfoliomanagement

Projektportfolio-Entscheidungen – kein Einhorn am Ende des Regenbogens

6 min Lesedauer

Kennen Sie den Begriff „FOBO”? Das ist die Abkürzung für „Fear of better Options”, und so sehr ich mich auch bemühe, Ihnen ein deutsches Äquivalent zu liefern – es existiert noch nicht. Vielleicht könnte man es als eine Art Entscheidungs- oder Bindungsangst beschreiben? Denn wer von der „Angst vor besseren Möglichkeiten” betroffen ist, zögert Entscheidungen unnötig lange heraus und kann sich auf nichts mehr festlegen. Dahinter verbirgt sich schlicht und einfach die Befürchtung, dass schon morgen eine bessere Option zur Wahl stehen könnte.

Mir persönlich ist Muster bestens bekannt und Ihnen sicherlich auch. Ob beim Einkaufen oder bei der Freizeitplanung – es gibt so viele Auswahlmöglichkeiten und so wenig Zeit. Früher hatten meine Bekannten zu einer Einladung direkt zugesagt. Heute höre ich ein „Ja, mal schauen, wenn ich dann nichts Anderes (also besseres) zu tun habe.“

Die Ironie an der Sache ist nun, dass wir dazu neigen, am Ende überhaupt gar keine Entscheidung zu treffen. In dem verzweifelten Versuch, die Optionen gegeneinander abzuwägen, bleiben wir auf der Strecke. Letztendlich tun oder kaufen wir einfach gar nichts, was natürlich irgendwie kontraproduktiv ist. Wir befinden uns in einer Art Paralyse, während wir darauf warten, dass uns die richtige Antwort schon bald in die Arme springt. Sie ahnen es vielleicht bereits: Teilschuld daran haben die sozialen Medien, aber auch das Internet im Allgemeinen. Wir sind uns mehr denn je darüber bewusst, wie viele Möglichkeiten auf dieser Welt tatsächlich bestehen.

FOBO in der Geschäftswelt

Wir arbeiten in dynamischen Systemen in wandlungsfreudigen Märkten. Die Planungszyklen sind in den letzten Jahrzehnten immer kürzer geworden. Was Sie heute wollen, brauchen Sie nächsten Monat vielleicht gar nicht mehr, da sich Ihre Bedürfnisse und Erwartungen verändert haben. Wir sind darauf getrimmt, flexibel zu sein und agil zu handeln. Doch sind wir deshalb auch dazu berechtigt, unsere Meinung andauernd zu ändern, beziehungsweise uns gar nichts erst auf eine Meinung festzulegen?

Die heutige Realität ist keine bequeme.

Die Beschlüsse anderer Personen wiederholt anzufechten ist nicht nur eine ermüdende Angelegenheit, sondern untergräbt auch die Autorität der Mitmenschen. Die eigene Entscheidung immer wieder rechtfertigen zu müssen kann hingegen sehr zeitaufwendig sein und für Organisationen unproduktiv werden.

Für Manager sind derartige Gedankengänge aber sehr verlockend: “Was wäre, wenn dieses Problem noch besser zu lösen wäre, wenn es ein besseres Portfolio gäbe, oder wenn ein Einhorn am Ende des Regenbogens stünde…?”

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Wer in der modernen Planungswelt bei Verstand bleiben will (und auch produktiver sein möchte), muss mit einem gewissen Grad an Unsicherheit zurechtkommen. Niemand von uns hat hellseherische Fähigkeiten, niemand von uns hat immer Recht. Es ist vollkommen in Ordnung, „Ich weiß es nicht…“ zu sagen, wenn man darauf so etwas wie „…aber ich habe die Optionen ausgewertet und das ist unsere beste Option.“ folgen lässt.

Wie gehen wir das FOBO-Phänomen also in Bezug auf Projektportfoliomanagement an?

Seien Sie pragmatisch

Es ist nur allzu verlockend, einen hoch esoterischen, vielleicht gar akademischen Weg bei der Priorisierung von Projekten einzuschlagen. In der Realität überfordern solche komplexen Metriken die Mitarbeiter – in der Folge werden sie falsch oder gar nicht genutzt. Risiko, NPV, Strategie-Übereinstimmung, Cashflow, Marktentwicklung – die sind natürlich alle gut. Doch wie viele Kennzahlen brauchen Sie wirklich in Ihrer Organisation, um Initiativen zu bewerten? Entwickeln Sie eine unkomplizierte Methodik für das Scoring und die Priorisierung, die Ihren Mitarbeitern einleuchtet.

Halten Sie es einfach

Ja, wir können darüber streiten, ob ein mittleres oder niedriges Risiko besteht, aber ganz ehrlich…? Eine einzige Kennzahl wird nicht der entscheidende Faktor für die Gestaltung eines guten Portfolios sein – wir suchen nach einem funktionierenden Rahmen, der bei unseren Management-Entscheidungen hilft. Arbeiten Sie außerdem plakativ und visuell. Sie kennen den Spruch mit den Bildern und den 1.000 Wörtern ja… Es ist viel einfacher, problematische Projekte im Portfolio zu erkennen, wenn Sie zwei rot eingefärbte Gantt-Diagramme vor sich haben, als wenn Sie eine Liste mit Terminen durchgehen. Finden Sie nicht auch?

Seien Sie knallhart

Langfristige Strategie, kurzfristige Taktiken. Verzichten Sie auf lange Zeitleisten. Sehen Sie außerdem von Projekten ab, die zu “mehreren Zielen ein wenig beitragen” (denn in diesem Fall will einfach nur niemand “Nein” sagen). Lassen Sie sich auch nicht von gesunkenen Kosten verführen. Und ganz wichtig: Die Tatsache, dass Sie drei Jahre lang an etwas gearbeitet haben, ist kein ausschlaggebender Grund dafür, noch mehr Zeit dafür aufzubringen – wenn Sie nicht abliefern können, hören Sie damit auf!

Projektportfoliomanagement erfordert manchmal knallharte Diskussionen

Kümmern Sie sich um den Grenzbereich

Im Mittelpunkt Ihrer Entscheidungen stehen die unsicheren Projekte. Es wird immer Projekte im Portfolio geben, die keiner großen Überlegungen bedürfen – Rechtsvorschriften, Infrastruktur, Business As Usual. Diskutieren Sie diese Projekte nicht bis ins letzte Detail aus, denn sie sind schlichtweg notwendig und für Ihre Organisation selbstverständlich… Stattdessen können Sie Ihr Hauptaugenmerk auf jene Projekte richten, die sich im Grenzbereich befinden (noch im Portfolio oder nicht mehr machbar?) oder Hilfe benötigen (hohes Risiko oder kritischer Projektstatus?).

Was wäre wenn…?

Sie kennen die Zukunft nicht, Sie geben nur Schätzungen ab. Deshalb sollten Sie mit alternativen Szenarien durchspielen, welche Optionen Sie haben, wenn Sie schnell reagieren müssen oder Eventualitäten abschätzen wollen. Stellen Sie, basierend auf den verfügbaren Informationen, den Entscheidungsträgern eine begrenzte Anzahl an Optionen vor, sodass diese eine Wahl treffen können.

Dokumentieren Sie

Dokumentieren Sie getroffene Entscheidungen. Machen Sie eine klare Momentaufnahme vom Portfolio mitsamt der herangezogenen Metriken und der verfügbaren Ressourcen. Die Dinge werden sich ändern, einige Entscheidungen werden sich als unglücklich erweisen – nun gut, so ist das Leben. Stellen Sie sicher, dass die Stakeholder freien Zugang zu den Berichten haben, damit sie verstehen, was gerade passiert. Bewahren Sie die Momentaufnahmen auf, damit Sie jederzeit noch einmal nachvollziehen können, was sich verändert hat – nur so lernen Sie für zukünftige Situationen dazu. Außerdem lassen sich so die “Serientäter” einfacher ausmachen – also diejenigen Projekttypen oder Mitarbeiter, bei denen es immer wieder Schwierigkeiten oder Diskussionsbedarf gibt.

Wenn Sie es schaffen, mögliche Zukunftsszenarien heraus zu modellieren und Ihre Organisation mit den jeweiligen Konsequenzen vertraut zu machen, müssen Sie sich nicht mehr mit der ständigen Frage quälen, ob Sie denn nun die perfekte Entscheidung getroffen haben. Was auch immer am Ende dabei herauskommt – Sie haben die Unsicherheiten mit einkalkuliert und die entsprechenden Strategien zur Hand, um mit den Konsequenzen leben zu können.

Im Projektportfolio­management brauchen wir Herangehensweisen und Werkzeuge, die flexibel und einfach genug sind, um die unterschiedlichen Optionen herauszustellen. Die perfekte Entscheidung werden Sie wahrscheinlich nicht treffen, dafür aber treffen Sie eine informierte Wahl, die für alle Beteiligten akzeptabel ist und Ihre Organisation nicht ins Verderben führt. Noch besser: Sie verschwenden weder Ihre Zeit, der richtigen Antwort hinterherzujagen, noch verzögern Sie wichtige Entscheidungen, weil Sie noch immer auf das Einhorn am Ende des Regenbogens warten.

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