Es ist dunkel und ein Sturm zieht auf (es regnet schon unglückliche Kunden). Statt Zeit darauf zu verwenden, mehr über Samen und Blätter verschiedener Baumsorten zu lernen, könnten Sie versuchen einen erhöhten Punkt zu finden, an dem Sie einen Überblick über Ihre Umgebung bekommen.
Dass ein Zuviel an Transparenz Gefahr läuft, Sie eher abzulenken und zu verwirren, ist aber nur ein Nachteil, den der Ansatz „Mehr Information = besser“ mit sich bringt. Sie laufen auch Gefahr, den Unmut Ihrer Mitarbeiter zu erregen. Es gibt einfach nicht viele Teams, die sich über noch eine Dokumentationspflicht freuen – insbesondere dann nicht, wenn sie zunehmend irrelevante oder redundante Informationen festhalten müssen. Mit fehlender Akzeptanz bei den Mitarbeitern sinkt meist jedoch auch die Datenqualität, was den Sinn und Zweck des Ganzen nur weiter untergräbt.
Noch klarer wird das Problem, wenn Sie es aus der Perspektive Ihrer Mitarbeiter betrachten. Schauen wir uns doch an, wie sich die Situation für Sandra Müller darstellt, Ihre einzige Senior JavaEE Entwicklerin. Frau Müller hat im letzten Geschäftsjahr 127 nicht genommene Überstunden angesammelt. Das lag vor allem an zwei Projekten im Sommer und Frühherbst, bei denen sowohl ihr Knowhow als auch ihr Einsatzwille absolut erfolgskritisch waren. Ihr wurde eigentlich zugesagt, dass sie einen Großteil der Überstunden nach Ende des zweiten Projekts am Stück freinehmen könnte, aber irgendwie war nie wirklich genug Luft. Jetzt, im neuen Jahr und mit zwei wichtigen Projekten, für die sie wirklich dringend benötigt wird, hat die HR Abteilung sie gebeten, sich die Überstunden doch lieber auszahlen zu lassen. Daheim hängt der Haussegen schief – Frau Müllers Mann versteht langsam nicht mehr, warum seine Frau dauernd Überstunden machen muss. Bei ihm im Unternehmen ist auch viel los und da geht es doch auch. Verdammt nochmal! Er drängt zur Kündigung, sie sagt, sie mag ihren Job. Das Thema nervt beide, bleibt aber aufgrund der ständigen Überstunden relevant. Jetzt kommt Frau Müller zur Arbeit und wird zu einem Meeting eingeladen, in dem ein neues Dokumentationssystem vorgestellt wird. Alle wüssten ja, das Unternehmen stecke ein wenig in einer Krise. Das neue System zeige Optimierungspotentiale, aber jeder müsse von Beginn an wirklich exakt eintragen, wann er was tut. Die gute Nachricht sei aber, dass durch mehr Transparenz alles schon sehr bald besser werde.
Was sagen Sie Frau Müller (und allen anderen Ressourcen) damit? Erstens, dass Sie das Problem bei der Art und Weise verorten, wie Ihre Ressourcen arbeiten. Irgendwas läuft da falsch bei euch! Zweitens, dass Sie als Chef jetzt viel genauer hinsehen wollen. Denn:
Die schlecht kommunizierte Einführung eines eigentlich unnötigen Kontrollinstruments ist jedoch eine der effizientesten Methoden, eine hochmotivierte Belegschaft in genervte Dienst-nach-Vorschrift-Macher zu verwandeln.
Klar, wir haben in diesem Beispiel alles so schrecklich falsch gemacht wie nur möglich – aber nur, um eine sehr reale Gefahr aufzuzeigen: Die Einführung jedweder Dokumentationspflichten oder Tools zur Informationserfassung muss sehr gut überlegt und kommuniziert werden, sonst besteht das Risiko, das Verhältnis der Mitarbeiter zum Unternehmen nachhaltig zu beschädigen.
Unser Fazit bisher: Einfach nur mehr Transparenz ist nicht die Antwort. Sie laufen Gefahr, Ihre Mitarbeiter mit zusätzlichen Dokumentationspflichten zu belasten und zu verärgern, nur um zu viele und/oder irrelevante Details zu erheben, die am Ende bei der Entscheidungsfindung nicht hilfreich oder gar schädlich sind.
Was also schlagen wir dann vor? Wir denken, worauf es ankommt, ist eine Methode zu finden, mit der Sie immer eine klare Vorstellung davon haben, welche Informationen wann wer braucht, damit am Ende Entscheidungen vor dem Hintergrund Ihrer strategischen Ziele getroffen werden können. Dazu gehört auch, dass Sie mit dieser Methode erkennen, welche Informationen Sie gerade nicht brauchen. Es geht nicht darum noch tiefer in einzelne Projekte „hineinzusehen“, also diese transparenter zu machen. Es geht darum, Ihre gesamte Projektlandschaft in den Blick zu nehmen und alle Projekte anhand strategisch relevanter Kriterien vergleichen und priorisieren zu können. Kurz:
Es geht nicht um Transparenz, sondern um Übersichtlichkeit. Nicht um operatives Projektmanagement (PM), sondern um strategisches Projektportfoliomanagement (PPM).
Eine Methode, die all das leisten kann ist Lean PPM. Im zweiten Teil dieses Artikels geben wir Ihnen ein Einblick in die Methode und zeigen, wie sie funktioniert.