von Jens Hirschinger
Veröffentlicht am 17.10.2016Aktualisiert am 07.11.2023
Wie funktioniert Ressourcenmanagement in einer agilen Projektorganisation? Wie betrachte ich die personelle Machbarkeit eines Projekts, wenn klassische Vorgehensmodelle in der Praxis durch Scrum, Kanban oder DSDM Atern abgelöst werden? Wir zeigen Ihnen in diesem Artikel Prinzipien für agiles Ressourcenmanagement.
Diese Fragen stellen sich viele Portfolioverantwortliche, Abteilungsleiter oder Ressourcen-Manager. Unabhängig davon, wer die treibenden Personen agiler Initiativen sind, wird der Augenmerk zunächst darauf gelegt, kooperativer, selbstverantwortlicher und effektiver zu arbeiten. Die darüber hinaus bestehende Notwendigkeit, Kapazitäten und Bedarfe gegeneinander zu halten um ein machbares realistisches Projektportfolio zu schaffen, steht nicht selbstverständlich als Frage im Raum.
Sagen manche Vertreter agiler Initiativen. Besonders wenn z.B. eine Scrum-Initiative Bottom-Up in die Organisation hinein getragen wird und dabei der Produktentwicklungsprozess eines Einzelteams sowie persönliche Ansprüche an Arbeitsumfeld und Verantwortlichkeit Hauptmotivatoren sind. Manche wichtigen Bedürfnisse der restlichen Organisation werden aus dieser Perspektive nicht beachtet.
Sagen Andere denen klar wird, dass dies eine zu grobe Vereinfachung ist und es auch in Abteilungen, Bereichen oder ganzen Unternehmen die agil arbeiten einen Bedarf für Ressourcenmanagement gibt und genau betrachtet ein Scrum-Sprint auch den Zweck verfolgt Ressourcen mit Skills und Verfügbarkeit zur Lösung der zugesagten Ergebnisse zu sichern.
Aus meiner Erfahrung heraus ist es durchaus sinnvoll agile Initiativen zunächst etwas enger anzugehen und manche Aspekte auszublenden. Zu einem bestimmten Zeitpunkt reift dabei die Erkenntnis, dass wir auch in einem agilen Umfeld weiterhin Ressourcen managen wollen. So können wir den Überblick über unsere Leistungsfähigkeit zu behalten, die richtigen Menschen für bestimmte Aufgaben identifizieren und unseren Bedarf an externer Unterstützung planbar halten. Es verändern sich mit den agilen Prozessen lediglich die Rahmenbedingungen und die Parameter.
Die 12 Prinzipien aus dem agilen Manifest zur Hand zu nehmen ist generell empfehlenswert um jegliche Fragestellung hinsichtlich eines agilen Lösungsansatzes zu prüfen. Dies kann Jeder für sich im Alltag tun und es bietet sich an um die obigen Fragenstellungen zu erörtern.
Drei der zwölf Prinzipien haben einen klaren Bezug zu Ressourcenmanagement und führen zu konstruktiven Veränderungen im Prozess. Durch die Einnahme dieser Perspektive, lassen sich passende Maßnahme bzw. Schwerpunkte für ein agiles Ressourcenmanagement ableiten.
Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
Häufig gibt es in IT getriebenen Unternehmen die Konstellation, dass ausschließlich der Mitarbeitereinsatz des IT-Bereichs konkret geplant wird. Entwickler, Tester, Analysten, Projektleiter und Systemadministratoren zählen dann zu den begehrten Ressourcen die häufig um mehrere hundert Prozent überplant sind. Im besten Fall gibt es eine IT-Portfolioplanung mit Ressourcenmanagement die die Projekte nicht nur strategisch einordnet und nach Nutzwert priorisiert, sondern auch für eine kapazitative Machbarkeit sorgt. D.h. ganz im Sinn der agilen Prinzipien werden Projekte sequenziell eingeplant sobald die „Ressource Box“ erschöpft ist bzw. nicht mehr erweitert werden kann.
Was passiert allerdings, wenn diese optimal eingeplanten Softwareentwicklungsteams zum Projektstart alleine dastehen? Die notwendigen Stakeholder und Fachexperten aus der Buchhaltung, dem Controlling oder Onlinemarketing sind währenddessen gerade dabei neue Prozesse einzuführen, müssen nebenbei ihr operatives Saisongeschäft „wuppen“ bzw. den Jahresabschluss machen und sind zudem in quasi allen IT-Projekten im Portfolio involviert.
Nicht, dass dies eine neue Situation wäre oder spezifisch mit Agilität einhergeht. Allerdings ist eine agile Entwicklung ausschließlich kooperativ und umfassend interdisziplinär denkbar. Gerade dieses Prinzip und dessen stringente Verankerung macht beispielsweise agile Softwareentwicklung so viel besser als klassisch organisierte Projekte in denen hier ggf. Kompromisse eingegangen werden. Durch mangelnde und kontinuierliche Kooperation und Zusammenarbeit mit den (internen) Auftraggebern entsteht mit der Gefahr am Bedarf „vorbei“ zu entwickeln eines der größten Risiken einer Software- oder Produktentwicklung.
Aus dieser Überzeugung heraus scheint es unverzichtbar, dass sich das Ressourcenmanagement aktiv für die Planung aller Beteiligten verantwortlich zeigt und hierfür Prozesse etabliert.
Ressourcenmanagement muss hierfür nicht in allen Bereichen gleich detailliert und konstant betrieben werden. Lediglich das Ziel muss dabei klar sein: nämlich den Rahmen zu schaffen, dass Fachexperten und Entwickler während des Projekts täglich zusammenarbeiten können.
Erste einfache Maßnahmen um die Bildung kooperierende Teams zu unterstützen:
Eine solche abgeschwächte Form des Ressource Management schafft bereits einen guten Rahmen für das Stakeholder Management und konkrete Vereinbarungen durch Projekt- oder Produktmanager.
Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
Der Begriff eines „eingespielten Teams“ wird schon lange allgemeinsprachlich gebraucht und das Phasenmodell der Teambildung von Tuckman mit seinen 4 Stadien „Forming, Storming, Norming and Performing“ aus den 60er Jahren führte bereits vor allen agilen Frameworks dazu, dass kompetente Projektmanager viel dafür getan haben um stabile, gut besetzte und als Gruppe verantwortlich agierende Teams zu etablieren und „performen“ zu lassen.
Scrum definiert ein solches Team konsequenterweise als Voraussetzung für alle Werkzeuge und Regeln zur Zusammenarbeit und vereinheitlicht seine Grundstruktur durch feste Teamrollen. Aus welchen Mitgliedern diese Teams gebildet werden und mit welche Lösungen und Produkte sie jeweils schaffen bleibt individuell und durch die Organisation festzulegen.
Herausragendes Teambuilding stellt große Herausforderungen für agile Organisationen dar. Einerseits müssen Knowhow und Skillset gut verteilt werden. Außerdem wird der Softfaktor „Chemie“ deutlich wichtiger als bei parallelen Teilzeiteinsätzen mit weniger Teambezug.
Hierbei verschwimmt Ressourcenmanagement mit organisatorischer Teambildung und es erfordert einer (agilen) kooperativen Zusammenarbeit zwischen Abteilungsleitern der Linienorganisation und den quer dazu organisierten projektfokussierten Ressource Managern.
Die Synergien aus der Führungserfahrung und Menschenkenntnis eines Abteilungsleiters, der Selbsteinschätzung der Kolleginnen und Kollegen und der mathematisch strengen Herangehensweise eines Ressource Managers erscheinen Erfolg versprechend.
Wie wäre es, wenn der Ressource-Manager seine Optimierungsregeln für Auslastung und Zuordnung einzelner Knowhow-Träger ergänzt um Parameter zur konstanten Zusammenarbeit in einem Team und um persönliche Präferenzen?
Kann dabei eine andere Form der Ressourcenplanung entstehen aus der dynamisch und im besten Fall systematisch Teams anhand der Bedarfe und einer effizienten agilen Zusammenarbeit optimiert werden? Ist dies nicht besser als starr agile Teams zu definieren für die es eventuell beim nächsten strategischen Großprojekt in dieser Form keine passgenauen Aufgaben gibt?
Agiles Ressourcenmanagement kann auf Methoden, Werkzeuge und Tools zurückgreifen die agile Teams dynamisch sinnvoll zusammenstellen und im besten Fall dauerhaft etablieren.
Durch die Einbeziehung der folgenden Parameter kann das Management von Ressourcen zur positiven Verstärkung für agile Vorgehensweisen werden:
Diese Faktoren ersetzen natürlich nicht andere Faktoren wie Qualifikation, Präferenzen für interne oder externe Besetzung, Kosten, Verfügbarkeit bzw. generell die Sachmittelplanung.
Diese Ansprüche an Ressourcenplanung stellen eine Herausforderung dar. Gut gelöst tragen Sie dazu bei den Rahmen zu schaffen für das agile Prinzip selbstorganisierter Teams. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Lösungen und Produkte nicht nur einmalig geschaffen, sondern kontinuierlich optimiert und erweitert werden.
Damit stärkt die dynamische Teambildung ein weiteres agiles Prinzip: “Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.”
Liefere funktionierende Ergebnisse regelmäßig innerhalb kurzer Zeitspannen.
Aus diesem agilen Prinzip resultiert die Methodik in Timeboxen zu arbeiten und dabei in einem festgelegten Zeitraum ein nutzbares, Mehrwert schaffendes Ergebnis zu liefern. Ohne es Ressourcenmanagement zu nennen ergänzen agile Frameworks wie Scrum zu diesem Prinzip die Skill- und Kapazitätskomponente indem Sie für eine Timebox („Sprint“ in Scrum) die Regel eines festen interdisziplinären Teams ergänzen das möglichst Vollzeit für die Dauer des Sprints zur Verfügung steht und ausreichend kompetent besetzt ist um die Aufgaben selbstständig umzusetzen. Vor jedem Sprint wird die tatsächliche Kapazität und Besetzung geprüft und für die Sprintplanung berücksichtigt.
In Kurzform bedeutet dies, dass sich für den Zeitraum einer Timebox ein Team aus mehreren Menschen mit bestimmtem Knowhow auf ein zu erzielendes Ergebnis festlegt. Dieses Commitment basiert daher kapazitativ auf einem „Ressource Boxing“ über den Zeitraum einer Timebox:
Ressource-Box: Arbeitstage im Sprint * Anzahl eingeplanter Tester = Allokation einer „Ressource Box“ mit TestSkills
So gesehen sind die beteiligten Tester, Entwickler oder Analysten lediglich für einen Sprint über einen kurzen Zeitraum von 1-4 Wochen allokiert und als „Ressource Box“ fest eingeplant. Dafür allerdings zu 100%.
Dies vereinfacht die Planung im Vergleich zu klassischem Ressourcenmanagement deutlich, denn Kollegen Vollzeit auf genau ein Projekt oder Team zu verplanen ist einfacher als prozentual anteilig für mehrere parallel laufende Projekte. Es gibt jeweils nur einen einzigen Projekt- oder Produktmanager als Ansprechpartner und die Effizienz steigt für Alle bisher prozentual „geteilten“ Kollegen durch den reduzierten Kontext-Wechsel und die stärker sequentielle Arbeit.
Über diesen positiven Effekt hinaus, schafft die Kurzzeitallokation für Sprints eine neue Flexibilität. Unter Umständen steht zwar für ein Projekt eine Schlüsselressource für 2, 3 oder 4 Wochen nicht zur Verfügung. Im Unterschied allerdings zu sehr langen Allokationen im klassischen Ressourcenmanagement kann im agilen Umfeld eine Person oder ggf. ein ganzes Team nach Abschluss des Sprints auch flexibel neu eingesetzt werden. Und zwar mit voller Kraft.
Im Idealfall bleibt das Team dabei zusammen und außer den Einzelskills wird das eingespielte Team mit seiner Dynamik und seinen selbst optimierten Arbeitsprozessen für neue Aufgaben eingeplant. Dies funktioniert immer dann, wenn regelmäßig ausreichend Projekte oder Aufgaben für genau diese Teamkonstellation initiiert werden.
Das Ressourcenmanagement kann zusammen mit der Portfolioplanung dazu beitragen, das agile Prinzip der selbstorganisierten Teams zu optimieren. Im Lauf der Zeit bilden sich Teams, die längerfristig en bloc eingeplant werden und nur bei konkretem Bedarf durch externe Berater, Urlaubsvertretungen oder Spezialisten ergänzt werden.
Durch agile Frameworks und Methoden erübrigt sich keinesfalls die Planung von Kapazitäten und Bedarfen. Im Gegenteil: Durch eine teilweise Neu-Erfindung kann Ressourcenmanagement zu einer stützenden Säule bei der Mehrwertstiftung durch agile Methoden werden: Agiles Ressourcenmanagement.
Wie dies genau geschieht ist stark abhängig vom Ausgangspunkt, der Organisationsgröße und -struktur sowie der inhaltlichen Vielfältigkeit von Projektaufträgen.
Agile Methoden erfordern ein Umdenken für die Organisation. Insbesondere für alle Ressourcenmanager, deren Ziel es werden kann, einen dynamischen Rahmen für kooperative, Ergebnis orientierte, fokussierte, interdisziplinäre sowie flexibel einsetzbare Teams zu schaffen.
Die Herleitung über die agilen Prinzipien und der bewusste Perspektivenfokus auf Ressourcenmanagement, soll anregen über dieses spannende, noch nicht umfassend diskutierte Thema nachzudenken und Lösungsräume im eigenen Umfeld oder sogar übergreifend zu schaffen und zu beschreiben.
Jens Hirschinger hat im Rahmen seiner fast 20 Jahre als Projektleiter, Berater, Anforderungsanalyst und Trainer, umfassende Erfahrung mit Ressourcenmanagement, Projektportfoliomanagement und agilen Methoden gesammelt. ...
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