Krankenhaussanierung am Beispiel der Klinikum Schwabing - ein Klinikum der München Klinik
Krankenhaussanierung am Beispiel der Klinikum Schwabing - ein Klinikum der München Klinik

Krankenhaussanierung als Musterfall für agiles Management

7 min Lesedauer

Am Beispiel der München Klinik

Die München Klinik ist das zweitgrößte kommunale Klinikunternehmen und eines von etwa 2.000 Krankenhäusern in Deutschland. Wie etwa die Hälfte aller bestehenden Kliniken, schrieb auch die München Klinik lange Zeit negative Zahlen. Daher entschied man sich vor dem Hintergrund der drohenden Insolvenz 2014 für eine Krankenhaussanierung. Die Landeshauptstadt München und der Freistaat investierten über 750 Millionen Euro, um die München Klinik zu modernisieren und wirtschaftlich auf solide Beine zu stellen. Somit soll weiterhin Medizin auf höhstem Niveau zum Wohle aller Patienten angeboten werden.

Nahezu die Hälfte aller deutschen Krankenhäuser ist defizitär, Tendenz steigend. Damit gesellt sich zum hohen Ergebnisdruck im medizinischen Bereich – schließlich geht es im Kern um die Qualität und das Ergebnis für den Patienten – ein enormer wirtschaftlicher Druck. Darüber hinaus ändern sich ständig gesetzliche Rahmenbedingungen und Verwaltungsvorschriften.

Traditionell funktionieren Krankenhäuser über stark formalisierte Vorgehensweisen. Wie sollte nun ausgerechnet ein Krankenhaus mit einem agilen Ansatz die Sanierung stemmen?

Die München Klinik hat aber genau das geschafft. Sie hat die Sanierung über einen stringenten, aber dynamischen Prozess erfolgreich über die Bühne gebracht und schrieb zuletzt erstmals schwarze Zahlen.

Über diesen agilen Prozess und die Erfolgsfaktoren für dessen Einführung haben wir uns mit Marco Weidemeier, Geschäftsbereichsleiter Unternehmensentwicklung bei der München Klinik, ausgetauscht.

Freuen Sie sich auf seine Tipps!

Zum Interviewpartner

Marco Weidemeier ist in beiden Welten zuhause: der betriebswirtschaftlichen, genauso wie der medizinischen. Er ist im Rahmen der Sanierung des Städtischen Klinikums München GmbH, der heutigen München Klinik, 2014 von einem privaten Klinik Konzern zur München Klinik gekommen. Er war zunächst Gesamtprojektleiter für die Sanierung und übernahm Ende 2016 zudem die Leitung des Geschäftsbereiches Unternehmensentwicklung.

Meisterplan: Hallo Marco, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, um mit uns über dieses interessante Thema zu sprechen. Wenn man über Projektmanagement im Krankenhaus spricht, dann denkt man nicht unbedingt als erstes an agiles Arbeiten, sondern eher an starre, formalisierte Prozesse und Abläufe. Wie siehst du das Ganze?

Marco Weidemeier: Es ist schon wahr, dass der Krankenhausmarkt ein recht verstaubtes Image hat. Jedoch kann man es sich gar nicht erlauben, nicht agil zu sein. Auch wenn die Klinik als Kommunalbetrieb eher planwirtschaftlich verstanden werden könnte und nicht das klassische Wirtschaftsprodukt produziert, ist sie ja dennoch formal gesehen ein Wirtschaftsbetrieb. Zudem ist München ein sehr wettbewerbsintensiver Standort. Agil müssen wir schon allein deswegen sein, weil wir häufig abhängig von externen Stakeholdern und gesetzlichen Vorgaben sind und sehr schnell auf Veränderungen reagieren müssen. Wenn es zum Beispiel neue gesetzliche Regelungen zur Notfallversorgung gibt, müssen wir diese zügig umsetzen. Zum Glück gibt es aktuell mehr und mehr Kolleginnen und Kollegen wie bspw. die Chefärzte der München Klinik, die Veränderungen gegenüber auch sehr aufgeschlossen sind.

Meisterplan: Gut, dass du das Thema Chefarzt ansprichst: Ich kann mir vorstellen, dass es zeitweise schwierig ist, die Medizin und die Betriebswirtschaft unter einen Hut zu bringen. Hier wird auch nicht zwangsläufig immer die gleiche Sprache gesprochen. Wie macht ihr das?

Marco Weidemeier: Im Projektportfolio selbst darf es keine Unterscheidung zwischen wirtschaftlich und medizinisch geben, die Administration muss mit der Medizin projektübergreifend in Einklang gebracht werden. Wir haben viele langfristig ausgelegte Projekte. Je länger so ein Projekt läuft, desto größer ist der Kampf zwischen dem Projekt und der Linienverantwortung.

Um funktionierendes PPM im Krankenhaus zu machen, ist es essentiell, dass es klare Strukturen und Verantwortlichkeiten gibt. Der Lean PPM-Ansatz von Meisterplan ist hierfür ein gutes Beispiel. Alle Beteiligten müssen das strategische Portfolio kennen. Unser Scope ist es, auch Standards umzusetzen, um die medizinische Leistungserbringung zu verbessern.

Meisterplan: Die München Klinik ging im Jahr 2014 in die Sanierung. Im Zuge dessen bist du zum Unternehmen gekommen und hast die Projektleitung für die Sanierung übernommen. Wie hast du es geschafft, agiles Projektportfolio­management im Betrieb zu etablieren?

Marco Weidemeier: Vom Himmel gefallen ist es leider nicht, es war schon keine einfache Aufgabe. So eine Sanierung ist Fluch und Segen zugleich. Wir hatten so etwas wie unseren persönlichen Shutdown im Rahmen der Sanierung, aber wir konnten uns auch neu aufstellen und über das Sanierungsprogramm unsere Grundpfeiler wie unsere Medizin-Architektur sowie sekundäre und tertiäre Bereiche klar definieren.

Im Rahmen der Umstrukturierung mit der Boston Consulting Group und der Lohfert & Lohfert AG haben wir ein Bündel an Projekten bekommen, aus diesem haben wir 9 Cluster von thematisch ähnlichen Projekten gebildet, für die es klar definierte Verantwortlichkeiten gibt. Mit dem Einsatz eines neuen Projektmanagement-Tools konnten wir zudem neue Themen besser einordnen und Abhängigkeiten erkennen. So konnten wir in den letzten Jahren bereits mehr als 100 von etwa 200 Einzelprojekten abschließen. Unser Portfolio durchläuft eigentlich eine permanente Verjüngungskur, weil wir offene Projekte regelmäßig hinterfragen. Das hilft uns, den Fokus nicht zu verlieren. Projekte, die aufgrund gesetzlicher Änderungen nicht mehr relevant sind, werden aus dem Portfolio gestrichen oder neu auf diese Anforderungen ausgerichtet.

Meisterplan: Das klingt nach einer Menge Arbeit… Restrukturierungen sind nicht immer einfach, und gerade für die Mitarbeiter war das bestimmt eine schwierige Zeit. Wie konntest du die Belegschaft ins Boot holen?

Marco Weidemeier: Die lange Unwirtschaftlichkeit führte zu einem sehr harten Cut, das war natürlich für das Unternehmen und die Mitarbeiter nicht einfach. Wichtig ist uns deswegen, alle Prozessbeteiligten abzuholen und klar zu kommunizieren, welche Veränderungen gemacht werden und welche Ergebnisse angestrebt werden. Hierbei muss man sich jedoch die Frage stellen, was kommuniziere ich an wen und in welchem Umfang? Natürlich hat hier die Geschäftsführung andere Anforderungen als das Projektteam.

Meisterplan: Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht war, die Veränderungen umzusetzen und die Vorteile für alle Beteiligten herauszustellen. Welche Vorteile haben sich aus dem agilen Ansatz für eure Patienten ergeben?

Marco Weidemeier: Patienten profitieren von optimierten Versorgungs- und Behandlungskonzepten. Wir konnten die Versorgungsbrüche und die Wartezeiten reduzieren. Ein Beispiel hierfür ist, dass wir unsere Patienten zukünftig passgenau zur Behandlung einbestellen. Es gibt kein stundenlanges Warten mehr an der Aufnahme. Wenn ein Patient für 9 Uhr einbestellt ist, kann er davon ausgehen, dass er auch zeitnah aufgerufen wird.

Meisterplan: Und wie profitieren die Projektbeteiligten und du in deiner Funktion als Geschäftsbereichsleiter davon?

Marco Weidemeier: Für mich selbst ist ein klarer Vorteil die Stringenz für die Projektsteuerung und dass flexibel auf Veränderungen reagiert werden kann. Ohne die entsprechende Stringenz kam es durchaus mal vor, dass ein Thema aus dem Portfolio im Sande verlaufen ist.

Unsere Projektleiter fühlen sich sicherer, da sie durch das konsequente Hinterfragen unseres Portfolios keine Projekte mehr ohne Ziel und Inhalt verfolgen. Zudem haben unsere Projektleiter die entsprechenden Freiheiten – und auch die Pflicht – zu hinterfragen, zu reagieren und zu verändern.

Für unsere Projektmitarbeiter ist zwar ein höherer Kommunikationsbedarf entstanden, diesem versuchen wir aber in strukturierten Meetings gerecht zu werden. Mitarbeiter, denen die entsprechende Erfahrung im Projektgeschäft fehlt, werden von den Projektleitern und dem PMO verstärkt begleitet, um sicher zu stellen, dass der Scope klar ist.

Meisterplan: Das klingt, als hättet ihr die Sanierung zum Anlass zu positiven Veränderungen genutzt und euch als Unternehmen weiterentwickelt.
Zum Abschluss Marco, welche Tipps kannst du anderen Unternehmen oder Abteilungen geben, die ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen?

Marco Weidemeier, lachend: Sich gar nicht erst in die Sanierung begeben.

Nein, im Ernst. Im Endeffekt sind es meines Erachtens die folgenden drei:

  • Klarheit
    Strukturen und Verantwortlichkeiten müssen ebenso klar sein, wie der Zweck und die Ressourcensituation.
  • Priorisierung
    Es ist essentiell, zu priorisieren. Das PMO darf nicht der Mülleimer der Organisation werden.
  • Regelhaftes Hinterfragen
    Ist es noch das richtige Thema? Arbeiten wir an den richtigen Dingen?
    Diese Dinge müssen ständig hinterfragt und dann auch transparent kommuniziert werden.

Marco, vielen Dank für die interessanten Einblicke in das PMO der München Klinik!
Wir freuen uns, dass wir so viel über die besonderen Herausforderungen für agiles PPM im Gesundheitssektor erfahren konnten.

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