Projektportfoliomanagement im Finanzwesen OpEx
Projektportfoliomanagement im Finanzwesen OpEx

Projektportfoliomanagement bei Financial Services: Schlacht der Projekte

6 min Lesedauer

Es ist Samstag, 10 Uhr morgens. Die linke Hand hält den dampfenden Kaffeebecher, die rechte fliegt über die Tastatur des Laptops und hämmert abschließend auf die Eingabetaste. Langsam baut sich die Wartungsseite des Online Banking auf, in roten Lettern prangt es auf dem Bildschirm:

„Wegen Wartungsarbeiten steht Ihnen unser Online Banking zeitweise leider nicht zur Verfügung.“

Wer jetzt mit einem leisen Fluch auf den Lippen den Laptop schließt und sich fragt, warum die IT-Abteilung der Hausbank mal wieder keinen funktionierenden Online-Zugang gewährleisten kann, der unterschätzt die Komplexität der Banken-IT-Welt.

Viele Projekte und noch mehr Anforderungen

Zur gleichen Zeit ist ein gutes Dutzend IT-Spezialisten damit beschäftigt, ein Release auf den Großteil der etwa 50 Software-Systeme der Bank auszurollen. Dieses Roll-out bildet den Abschluss eines von Zeit-, Qualität- und Kostendruck geprägten Release-Zyklus. Dieser beinhaltet Planung, Konzeption, Entwicklung und Tests neuer Funktionalitäten in einem Zeitraum von vier bis sechs Monaten, wobei die komplexen Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Systemen, etwa Kernbankensoftware, Online Banking, Meldewesen, Output Management oder Bilanzbuchhaltung, berücksichtigt werden müssen.
Die Komplexität der Anforderungen an IT-Projekte im Bereich Financial Services steigt stetig. Bereits in der Konzeptionsphase prallen die Heere von IT- und Fachbereichen krachend aufeinander, in hartem Kampf wird hier der Funktionsumfang der Neuerungen ausgefochten. Die IT hält dabei den Schild der Betriebssicherheit: Einfach soll die Software sein, risikoarm, billig in der Wartung. Die Fachbereiche führen die scharfe Schneide der Effizienz: Alle Anforderungen soll die Software abdecken, die Anzahl der Klicks im Call-Center muss reduziert werden, und werden die neuesten gesetzlichen Anforderungen nicht bis ins Kleinste erfüllt, so drohen Strafen oder Lizenzentzug durch die BaFin. Die Schlacht fordert in der Regel Verluste auf beiden Seiten. Danach wird Wehklagen laut, bedingt durch das Leiden derer, die nun neben den tagesfüllenden Linienaufgaben Konzepte schreiben und Testfälle durchspielen müssen. Außerdem reicht das Budget nun doch nicht, man muss sparen. Anweisung von ganz oben.
Neben diesem etwas überspitzt dargestellten Interessendilemma innerhalb der Bank wird die Komplexität durch weitere Faktoren weiter erhöht:

  • Der Compliance-Druck ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Gründe sind die zunehmende Internationalisierung des Zahlungsverkehrs (SEPA, SWIFT), ein drastischer Anstieg der Regulierung und Datentransparenz (FATCA, CRS, automatisierter Kirchensteuerabzug) und neue Anforderungen an den Datenschutz.
  • Die Digitalisierung der Bankenwelt erhöht die Kundenfluktuation. Durch neue Ident-Verfahren und Mobile Banking ist ein Wechsel der Bank heute mit wenigen Klicks erledigt. Neue Produkte und Kampagnen sollen die Kundenbindung erhöhen. Dies wird wiederum maßgeblich durch IT ermöglicht.
  • Vor allem bei Konzernbanken kommt mit Projektvorgaben aus dem Mutterhaus noch einmal ein Arbeitspaket „obendrauf“: Neues Branding, Corporate Identity, spartenübergreifende Angebote und Data Warehousing.

Diese Anforderungssituation führt zu einer Einplanung von zwei bis vier IT-weiten Roll-outs pro Jahr. Ein Großteil der damit verbundenen Projektaufgaben entfällt – neben Externen – auf die Bankmitarbeiter im Back-Office. Konzeption, Lösungsdiskussion, Planung und Abnahmetests müssen parallel zum laufenden Tagesgeschäft ausgeführt werden. Die Folge: Überlastung der Mitarbeiter, kurzfristiges Reduzieren des Funktionsumfangs, Qualitätseinbußen in Projekt- UND Tagesgeschäft.

Muss das sein?

Portfoliomanagement als Lösungsbeitrag

Das PPM-Trilemma

Nein, muss es nicht. Während Projektmanagement- und Testmanagementsoftware im Bankenbereich breite Anwendung finden, wird der logische erste Schritt, die Planung und Verwaltung des Projektportfolios auf Grundlage der vorhandenen Ressourcenkapazitäten, oft vernachlässigt.

Durch Projektmanagement lassen sich nur noch die Auswirkungen falsch getroffener Entscheidungen verwalten.

Das geht in der Regel mit erhöhtem Druck für das Projektpersonal sowie negativer Entwicklung von Qualität und Budget einher. Das PPM-Trilemma zeigt die Abhängigkeiten der einzelnen Faktoren voneinander.

Die Durchführung aller Projekte „in time, quality and budget“ kann nur durch eine ausreichende Planung des Projektportfolios erreicht werden. Eine solche Planung muss sich an den Anforderungen und Gegebenheiten orientieren, das heißt es muss ein fortlaufender Formungsprozess stattfinden, in den sowohl die Priorität einzelner Projekte als auch die Verfügbarkeit von Budget und Ressourcen und nicht zuletzt die situative Entwicklung der einzelnen Projekte einfließen. Die folgende Abbildung eines PPM-Prozesses soll dies verdeutlichen:

Lean PPM System

Wie auch im Projektmanagement so bedarf es bei der Planung und Formung eines Projektportfolios der Hilfe spezialisierter Softwareprodukte, die es erlauben, komplexe Projektlandschaften und Organisationsstrukturen abzubilden und gleichzeitig eine Bewertung und Bearbeitung des Portfolios ermöglichen. PPM-Software muss dabei folgende Fragen beantworten:

  • Welche Projekte sind überhaupt in Planung oder in Umsetzung?
  • Welche Priorität hat das einzelne Projekt?
  • Über welche Kapazitäten kann in welchem Maße verfügt werden?
  • Sind die Ressourcen entsprechend ihrer Kompetenzen und der Projektpriorität eingeplant?
  • Welche Projekte können mit der gegebenen Ressourcenkapazität überhaupt umgesetzt werden?
  • Welche Handlungsoptionen bestehen, um Projekt- und Ressourcenkonflikte aufzulösen?
  • Welche Abhängigkeiten zu anderen Projekten sind dabei zu beachten?

Entscheidend ist es dabei, durch Übersichtlichkeit und einfache Bedienung ein Verständnis der Portfolio-Situation zu ermöglichen und den Handelnden zu befähigen, mit wenigen Klicks alternative Szenarien zu entwickeln.

Der Weg zu einem funktionierenden Portfoliomanagement im Bereich Financial Services

Genauso wichtig – aber schwieriger – als die Auswahl des richtigen Tools ist die Implementierung eines geeigneten Prozesses zur Sicherstellung des zielführenden Informationsflusses im Unternehmen. Wie kommen die notwendigen Daten in die PPM-Software? Wie werden sowohl neue Projektideen als auch Statusinformationen aus laufenden Projekten zusammengeführt und priorisiert? Wie können die auf Basis von Szenarien gewonnenen Maßnahmen zur Portfoliooptimierung zur Abstimmung gebracht und letztlich als neuer Plandatenstand verabschiedet werden?

Diese Entscheidungen stellen den PPM-Verantwortlichen vor einige Herausforderungen, auch vor dem Hintergrund politischer Strukturen im Unternehmen: Transparentes Portfoliomanagement fordert klare Entscheidungen hinsichtlich der Priorisierung von Projekten und legt Optimierungspotentiale in der Planung schonungslos offen. Diese Transparenz ist nicht von jedem gewünscht.
Weiterhin fordert die Einführung eines funktionierenden PPM-Prozesses zumindest geringfügige organisatorische Veränderungen bzgl. damit verbundener Aktivitäten, Rollen und Abstimmungen. Verbindendes Element ist die Verankerung der PPM-Software entlang des PPM-Prozesses. Je stärker die Nutzung des Tools in den einzelnen Prozessschritten, desto höher sind Datenqualität und -aktualität, Nachvollziehbarkeit und Transparenz von Entscheidungen sowie die Qualität und Geschwindigkeit von Problemlösungen.

Die Erfahrung zeigt, dass Portfoliomanagement dann erfolgreich ist, wenn ein Top-down-Ansatz verfolgt wird. Die Gestaltung des Portfolios anhand der unternehmensstrategischen Ausrichtung stellt sicher, dass wichtige und richtige Projekte Priorität erhalten. Die dann noch verbleibenden Kapazitäten können zugunsten nachrangiger Projekte verteilt werden. So weicht die bloße Verwaltung des Portfolios, die sich typischerweise bei einem Bottom-up-Planungsansatz als Folge eines „Survival of the Fittest“-Wettbewerbs von Einzelprojekten ergibt, einer aktiven Portfoliogestaltung.

Top-down Portfolioplanung

Strategische Bewertung und Priorisierung

Top-down PPM

Richtige und wichtige Projekte, „in quality, time and budget“

Bottom-up Portfolioplanung

Verwaltung von Mangel und Konflikten

Bottom-up PPM

Wettbewerb der Projekte

Im Idealfall führt das zu einer Fokussierung auf Qualität statt Quantität – und damit zu weniger Wartungsmeldungen. Damit Ihnen in Zukunft samstags nicht mehr der Kaffee aus der Hand fällt.

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