Viele Projekte und noch mehr Anforderungen
Zur gleichen Zeit ist ein gutes Dutzend IT-Spezialisten damit beschäftigt, ein Release auf den Großteil der etwa 50 Software-Systeme der Bank auszurollen. Dieses Roll-out bildet den Abschluss eines von Zeit-, Qualität- und Kostendruck geprägten Release-Zyklus. Dieser beinhaltet Planung, Konzeption, Entwicklung und Tests neuer Funktionalitäten in einem Zeitraum von vier bis sechs Monaten, wobei die komplexen Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Systemen, etwa Kernbankensoftware, Online Banking, Meldewesen, Output Management oder Bilanzbuchhaltung, berücksichtigt werden müssen.
Die Komplexität der Anforderungen an IT-Projekte im Bereich Financial Services steigt stetig. Bereits in der Konzeptionsphase prallen die Heere von IT- und Fachbereichen krachend aufeinander, in hartem Kampf wird hier der Funktionsumfang der Neuerungen ausgefochten. Die IT hält dabei den Schild der Betriebssicherheit: Einfach soll die Software sein, risikoarm, billig in der Wartung. Die Fachbereiche führen die scharfe Schneide der Effizienz: Alle Anforderungen soll die Software abdecken, die Anzahl der Klicks im Call-Center muss reduziert werden, und werden die neuesten gesetzlichen Anforderungen nicht bis ins Kleinste erfüllt, so drohen Strafen oder Lizenzentzug durch die BaFin. Die Schlacht fordert in der Regel Verluste auf beiden Seiten. Danach wird Wehklagen laut, bedingt durch das Leiden derer, die nun neben den tagesfüllenden Linienaufgaben Konzepte schreiben und Testfälle durchspielen müssen. Außerdem reicht das Budget nun doch nicht, man muss sparen. Anweisung von ganz oben.
Neben diesem etwas überspitzt dargestellten Interessendilemma innerhalb der Bank wird die Komplexität durch weitere Faktoren weiter erhöht:
- Der Compliance-Druck ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Gründe sind die zunehmende Internationalisierung des Zahlungsverkehrs (SEPA, SWIFT), ein drastischer Anstieg der Regulierung und Datentransparenz (FATCA, CRS, automatisierter Kirchensteuerabzug) und neue Anforderungen an den Datenschutz.
- Die Digitalisierung der Bankenwelt erhöht die Kundenfluktuation. Durch neue Ident-Verfahren und Mobile Banking ist ein Wechsel der Bank heute mit wenigen Klicks erledigt. Neue Produkte und Kampagnen sollen die Kundenbindung erhöhen. Dies wird wiederum maßgeblich durch IT ermöglicht.
- Vor allem bei Konzernbanken kommt mit Projektvorgaben aus dem Mutterhaus noch einmal ein Arbeitspaket „obendrauf“: Neues Branding, Corporate Identity, spartenübergreifende Angebote und Data Warehousing.
Diese Anforderungssituation führt zu einer Einplanung von zwei bis vier IT-weiten Roll-outs pro Jahr. Ein Großteil der damit verbundenen Projektaufgaben entfällt – neben Externen – auf die Bankmitarbeiter im Back-Office. Konzeption, Lösungsdiskussion, Planung und Abnahmetests müssen parallel zum laufenden Tagesgeschäft ausgeführt werden. Die Folge: Überlastung der Mitarbeiter, kurzfristiges Reduzieren des Funktionsumfangs, Qualitätseinbußen in Projekt- UND Tagesgeschäft.
Muss das sein?